Zur Diskussion um die "direkten oralen Antikoagulantien (DOACs)" hier eine Stellungnahme von ärztlicher Seite:
Die "neuen" Antikoagulantien:
Steht die Thromboseprophylaxe mit ihnen vor der Wende?
Heparine und Vitamin- K- Antagonisten waren jahrzehntelang sich ergänzende Medikamente zur Prävention und Therapie von Thrombosen. Seit ihrer Einführung vor mehr als 70 Jahren sind die Vitamin- K- Antagonisten (Marcoumar®, Sintrom®) pharmakologisch praktisch unverändert geblieben. Sie sind mit einer Risikoreduktion thrombembolischer Ereignisse bis zu 80 % extrem gut wirksam, weisen aber ein schmales therapeutisches Fenster, eine inter- und intraindividuelle Variabilität sowie zahlreiche Wechselwirkungen (Medikamente, Nahrungsmittel) auf. Dies erfordert eine engmaschiges Labormonitoring (INR- Wert) und eine häufige Dosisanpassung.
In großen Studien wurde mittlerweile mehrfach gezeigt, daß durch das Patienten-Selbstmanagement (PSM) eine signifikante Reduktion der thrombembolischen Komplikationsrate und der Mortalität erzielt werden kann. Selbstmanager besitzen ein portables Gerät, bestimmen ihren INR- Wert regelmäßig selbst und führen falls notwendig eine Dosisanpassung (innerhalb genau definierter Grenzen) selbst durch. Zum Erlernen dieser Methode benötigt der Patient eine Einschulung, die nach einer standardisierten und qualitätskontrollierten Methode von ÖASA- Schulungsstellen österreichweit vermittelt wird (siehe www.oeasa.at). Eine ebenfalls österreichweit etablierte Patientenvereinigung (www.inr-austria.at) erleichtert den Erfahrungsaustausch betroffener Patienten und deren Angehöriger.
Weltweit werden derzeit ca. 30 Mio. Menschen mit diesen Medikamenten behandelt, sie kommen bei Erkrankungen wie rezidivierender Beinvenenthrombose mit / ohne Lungenembolie, mechanischem Herzklappenersatz und Vorhofflimmern (v.a. bei einer Hochrisikogruppe mit großer Schlaganfallgefährdung) zum Einsatz. Da bis zum Jahr 2050 mit einer Verdoppelung der Anzahl von Vorhofflimmerpatienten und damit auch eine dramatische Erhöhung schlaganfallgefährdeter Personen zu erwarten ist, kommt der Thromboseprophylaxe durch Antikoagulantien auch gesundheitspolitisch und ökonomisch eine große Bedeutung zu.
Kein Wunder, daß seit Jahren intensiv geforscht wurde und wird, um neue Medikamente zur Thromboseprophylaxe zu finden. Diese sollten oral verfügbar sein (d.h. als Tablette wirken), eine gute Bioverfügbarkeit bei größerer therapeutischer Breite haben (ein Labormonitoring wäre dann nur mehr in Ausnahmefällen notwendig) und zudem eine verbesserte antithrombotische Wirksamkeit bei gleichbleibenden oder sogar verringerten Blutungsraten aufweisen.
Diese neuen Medikamente hemmen direkt einzelne Faktoren der Gerinnungskaskade und werden daher als „direkte orale Antikoagulantien“ (DOACs) bezeichnet. Mittlerweile sind 4 DOAC- Präparate für die Thromboseprophylaxe bei Vorhofflimmern bzw. zur Therapie und Sekundärprophylaxe bei Z. n. tiefer Beinvenenthrombosen und Lungenembolie zugelassen. Es wird dabei entweder direkt der aktivierte Faktor X (Xarelto®, Eliquis® und Lixiana®) oder der aktivierte Faktor II (Pradaxa®) gehemmt.
Es besteht keine Zulassung zur Thromboseprophylaxe nach Herzklappenersatz, sodass bei dieser Patientengruppe weiterhin ein Vitamin- K- Antagonist (Marcoumar®, Sintrom®) das Medikament der Wahl zur Thromboseprophylaxe darstellt.
In mehreren Studien konnte eine gute Wirksamkeit der DOACs nachgewiesen werden, wobei Limitierungen im Einsatz dieser neuen Substanzen sich aufgrund von gastrointestinalen Nebenwirkungen, Art der Metabolisierung und Ausscheidung (z.B. Niereninsuffizienz) und nicht zuletzt aufgrund der hohen Therapiekosten ergeben. Ein Gegenmittel (Antidot) ist vorerst nur für Pradaxa® verfügbar, wobei voraussichtlich in naher Zukunft auch ein Antidot für die „Direkten Xa- Inhibitoren“ (Xarelto®, Eliquis® und Lixiana®) zur Verfügung stehen wird.
Die Vitamin- K- Antagonisten und die DOACs haben ihre speziellen Vor- und Nachteile und sollen daher bei einer Neuverordnung individuell für jeden Patienten ausgewählt werden. Patienten, die gut mit einem Vitamin- K- Antagonisten eingestellt sind (d.h. >70% der INR-Werte sind im therapeutischen Zielbereich), sollen nicht auf eines der neuen Medikamente umgestellt werden. Nachdem in mehreren Studien gezeigt wurde, dass Selbstmanager meist deutlich über >70% der Werte im Zielbereich haben, besteht selten eine Indikation zum Umstieg auf ein DOAC.
Zur Thromboseprophylaxe bleiben Vitamin- K- Antagonisten eine sinnvolle, effektive und sichere Alternative zu den direkten oralen Antikoagulantien, deren Einführung generell sicherlich begrüßenswert ist. Allen Patienten mit einer Therapie mit Vitamin- K- Antagonisten soll, sofern sie dazu in der Lage sind, das Selbstmanagement der oralen Antikoagulation angeboten werden, da dadurch eine signifikante Reduktion von thrombembolischen Komplikationen erreicht werden kann.
(Erstellt von: Dr. H. Krüttner / Adaptiert, aktualisiert und bearbeitet durch: Dr. M. Egger- Samhofer)